Teej Festival

Der Tag beginnt wie alle anderen. Wir stehen so gegen 7 Uhr auf und versammeln uns gemeinsam auf eine Tasse Tee und Kekse im Wohnzimmer. Das Rumgelungere danach verbringen wir wie gewohnt mit einer Partie Rommé und Geschmöker. Doch statt zu unserer Baustelle zu gehen versammeln wir Ladies uns nach rascher Maniküre auf der Veranda alle im Schlafzimmer unserer Familie. Uns werden bauchfreie Spitzenoberteile und schlichte Unterröcke in die Hände gedrückt und während wir uns umziehen, trudeln nach und nach die Frauen aus den umliegenden Häusern - bereits so richtig in Sarischale geworfen - auch bei uns ein. Nacheinander werden Stoffe an uns gehalten, diskutiert, neue Tücher herangeholt und schließlich werden wir alle in pinke und rote Saris gehüllt. Leichter gesagt als getan! Wie unbeholfene Ballerinas stehen wir mit den Armen nach oben gestreckt da, während mindestens zwei der Frauen ihre Falt- und Wickelkünste an uns probieren. Nach guten 20 Minuten sind wir dann alle fertig gekleidet - jedoch noch lange nicht fertig! Jetzt wird erstmal geschminkt! In einer Ecke des Zimmers werden Lidschatten und Lippenstifte gezückt und während die Farben auf unseren Gesichtern trocknen und wir dazu aufgefordert werden, die Augen geschlossen zu halten damit ja nichts verwischt, bekommt man die Atmosphäre im Raum erst so richtig mit! Aufgeregtes Gemurmel und Getuschel überall, Stoffe rascheln, es wird gelacht, die Stimmen häufen sich, jemand pustet uns auf die geschlossenen, noch feuchten Augenlider. Zu guter letzt werden uns noch die Haare geflochten und mit teils hübschen, teils schlichten und auch teils kinderkunterbunten Haarspangen fixiert. Jetzt kann es losgehen zum ersten Fotoshooting vor unserem Haus! 

Nach haufenweise Fotos und gegenseitigen Komplimenten brechen wir auf zum nächstgelegenen Tempel der Göttin Shiva auf. Um die 20 in bunte und schillernde Saris gehüllte Frauen schweben feengleich durch den Matsch. Dichter Nebel und Nieselregen sorgen obendrein für eine mystische Stimmung. 

Circa eine halbe Stunde und drei Bachdurchquerungen später hören wir neben dem Getröpfel leise Gesänge. Weiterhin sehen wir: genau, nichts. Der Nebel hängt dick und schwer zwischen den Bäumen und gibt uns vermischt mit den lauter werdenden Singsang-Stimmen und in unsere noch etwas befremdlich zu handhabenden Gewänder gekleidet das Gefühl, Teil der großen Elbenwanderung nach J. R. R. Tolkien zu sein. 

So langsam lichten sich die Schwaden, wir überqueren den letzten Bach und stehen vor circa 50 Frauen, die bereits in zwei großen Kreisen unter dem Dach des Tempels Platz genommen haben und uns Neuankömmlinge neugierig beobachten. Wir ziehen unsere Schuhe aus, waschen uns die Füße und marschieren hintereinander einmal die Treppen hinauf und auf der anderen Seite hinunter um den Tempel herum. Jede von uns bekommt ein paar Blüten in die Hände gedrückt und nacheinander betreten wir das Innere des Tempels. Brav befolgen wir die Anweisungen und streuen die Blüten auf diese Statue und jenen Felsen, schwenken Räucherstäbchen im Kreis und läuten Glocken, die von der Decke herabhängen. Im Anschluss bekommen wir rot gefärbte Reiskörner auf die Stirn gedrückt - das scheint ein achtungsvolles Ritual hier zu sein.

Sichtlich überfordert mit der Situation sind wir dann doch sehr erleichtert, als uns Plastikstühle an einem Rand der am Boden sitzenden Frauenkreise angeboten werden und wir die kommenden zwei Stunden aus der Beobachterperspektive miterleben können. 

Einige Priester (alle aus der Brahmanen-Kaste) verteilen immer wieder Räucherstäbchen an die Frauen und der Priester, der uns bereits in unserer ersten Woche in Lapsibote, als wir zum Tempel gelaufen sind, gesegnet hat, gibt Anweisungen über ein Mikrofon. Auch er hat sich für diesen Feiertag schick gemacht und seinen FC Barcelona Schal galant um den Hals geschlungen - wie man das als Priester eben so macht. 

Die Frauen verteilen nach und nach ihre mitgebrachten Opfergaben in kleine Schälchen aus Blättern: Geld, Öl, Gurken, Reis und Schmuck. Zwischendurch werfen alle gleichzeitig auf Ansage des Priesters die Arme in die Luft und rufen etwas, stehen auf und laufen im Kreis oder beten. Das Ironische am Frauenfestival hier ist, dass die Frauen den Anlass nutzen um für ihre Ehemänner zu beten. Ziemlich absurd aus unserem Blickwinkel, aber da wir alle noch unverheiratet sind, sind wir damit immerhin aus dem Schneider. 


Regen und Wind lassen uns ganz schön zittern und so sind wir froh, als wir dazu aufgefordert werden, mit allen Frauen gemeinsam erneut eine Runde um den Tempel zu gehen und dabei wieder Blüten zu verteilen. Wieder beim Ausgangspunkt angekommen tanzen wir zu der über die Lautsprecher blechern klingende Musik. Jedoch ist nach zwei Liedern schon wieder Schluss; die Anlage hat anscheinend den Geist aufgegeben. Dann also ohne rhythmische Bewegungen gleich über zum nächsten Programmpunkt und unter anderem eine der Lieblingsbeschäftigungen der Menschen hier, welcher sie auch unermüdlich nachgehen: Fotooos! 

Hier und dort werden Saris gerichtet, Arme um uns geschlungen, Handys ausgepackt und unser Poserlächeln auf die Dauerprobe gestellt. Wie die Profis strahlen wir auch bei dem zigsten Foto unser charmantestes Lächeln! Als dann aber wirklich alle Personenkonstellationen durchgeknipst sind, machen wir uns wieder auf den Rückweg. Zurück durch den Wald, über Bäche, an Teefeldern, einzelnen Hütten und Ziegen vorbei kommen wir sichtlich erschöpft zu Hause an. 

Ein letztes Mal für den Tag lächeln wir in Kameras um diesen besonderen Tag festzuhalten, bevor sich unsere östrogenüberwiegende Truppe wieder auflöst und die Lapsiboteladies ihre Heimwege antreten. Heim durch den Matsch, den Regen den Nebel. Heim, raus aus den bunten Saris und rein in gemütliche Alltagsklamotten. Heim zu den kürzlich gehuldigten Ehemännern.